Hausaufgaben: ein Vergleich Wallis - Bern. Und ein Wunsch.

Hausaufgaben sind ein kontroverses Thema. Die einen verfechten sie, die anderen würden sie am liebsten abschaffen. Und zwar Eltern und Lehrpersonen, wohl auch Kinder. Und ebenso zeigen Studien sehr unterschiedliche Ergebnisse. Je nach dem welcher Fraktion eine Person also angehört findet sie Studien die für und Studien die gegen Hausaufgaben sprechen. 

Ich selbst, ich bin kritisch. Lerninhalte zu Hause einüben finde ich sinnvoll, jedoch sollte dies mit Mass geschehen und - wie der Unterricht auch - differenziert. Ich wünsche mir, dass wir den Kindern auch Freizeit gönnen. Dass sie Zeit zum Erholen haben und Zeit für Hobbys.

 

Wallis - Bern: Ein Rechenbeispiel

Ich bringe in Diskussionen zum Thema gerne das Beispiel zwischen dem Kanton Bern und dem Kanton Wallis. Weil ich die beiden Schulsystem kenne. Eines beruflich, das andere beruflich und als Mutter. Spannend finde ich es, dabei auch die Anzahl Lektionen pro Woche heranzuziehen. In der Tabelle vergleiche ich die Lektionen von der 3H bis zur 8H.

Tabelle 1: Anzahl Lektionen pro Woche im Vergleich

Klasse Anzahl Lektionen pro Woche VS Anzahl Lektionen pro Woche BE
3H  28 25
4H 28 25
5H 32 28
6H 32 28
7H 32 31
8H 32 31

Wird - wie dies die EDK macht - für das Wallis mit 37 Schulwochen (38 Wochen à 4.5 Tage minus 4 Feiertage) gerechnet und für Bern mit 39 Schulwochen, macht dies auf die 5H und 6H einen Unterschied von 92 Lektionen, also knapp 3 Wochen, die die Walliser Kinder mehr zu Schule gehen als die Berner Schulkinder. Übrigens müssen wir uns hier nun nichts darauf einbilden. In der OS haben die Kinder im Kanton Bern 35 Lektionen pro Woche, während die Walliser Kinder 32 Lektionen haben. Es gleicht sich also wieder aus und über die gesamte Schuldauer gesehen gehen die Berner Kinder sogar länger zur Schule als die Walliser Kinder. Aber dem Kind in der 5H, dem hilft dies zu wissen wenig. 

Und nun Zahlen zu den Hausaufgaben. Während der Kanton Wallis vor ein paar Jahren einen schulinternen Leitfaden zum Thema herausgegeben hat, thematisiert der Kanton Bern die Hausaufgaben im Lehrplan 21 und in einem Merkblatt. Für den Kanton Wallis gilt die Faustregel: 10 Minuten pro Klassenstufe pro Tag. Der Kanton Bern legt Maximalzeiten pro Woche fest. Hier die Zahlen, ebenfalls verteilt auf die Schuljahre 3H bis 8H.

 Tabelle 2: Zeit für Hausaufgaben im Vergleich

Klasse Zeit für Hausaufgaben pro Tag (pro Woche) VS Zeit für Hausaufgaben pro Woche BE
3H  10 Minuten (= 40 Minuten pro Woche) 30 Minuten
4H 20 Minuten (= 80 Minuten pro Woche) 30 Minuten
5H 30 Minuten (= 120 Minuten pro Woche) 30 bis 45 Minuten
6H 40 Minuten (= 160 Minuten pro Woche) 30 bis 45 Minuten
7H 50 Minuten (= 200 Minuten pro Woche) 30 bis 45 Minuten
8H 60 Minuten (= 240 Minuten pro Woche) 30 bis 45 Minuten

Nun, wenn ich als Beispiel ein Kind aus der 5H nehme (aus der 3. Klasse, wie wir früher sagten), dann hat es im Kanton Wallis pro Woche 32 Lektionen Schule plus 120 Minuten Hausaufgaben (4*30 Minuten). Im Kanton Bern hat es 28 Lektionen Schule plus maximal 45 Minuten Hausaufgaben. Einige werden nun sicher sagen, man könne die Kantone nicht so vergleichen. Nun, ich finde es schon spannend, dass wir - trotz Lehrplan 21 - so grosse Unterschiede innerhalb der Lektionenzahlen und bzgl. Hausaufgaben haben. Ich kann aber nachvollziehen, dass es in einem föderalen System Spielräume für die Kantone gibt. Im Wallis haben wir bspw. zwei Lehrpläne, den der Romandie und den der Deutschschweiz. Und irgendwie müssen die für den Kanton zusammengebracht werden.  

Warum ich mir im Wallis weniger Hausaufgaben wünschen würde

Spannend finde ich die Begründung des Kantons Bern, warum mit der Einführung des Lehrplans 21 gleichzeitig die Hausaufgaben reduziert wurden. So steht im oben verlinkten Merkblatt:

 

"Der Lehrplan 21 brachte eine Erhöhung der Lektionenzahl in den Fachbereichen Deutsch und Mathematik sowie durch das neue Fach Medien und Informatik. Das bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen mehr Zeit in der Schule verbringen, was auch Auswirkungen auf die Hausaufgaben hat. Neben der Schule sollen die Kinder und Jugendlichen genügend Zeit finden, sich zu erholen und einer Freizeitbeschäfti- gung nachzugehen (z.B. Spiel, Sport, Musik)."

 

Ich wiederhole es gerne: Neben der Schule sollen die Kinder und Jugendlichen genügend Zeit finden, sich zu erholen und einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Genau dies wünsche ich mir für die Kinder. Und ehrlich gesagt auch für uns Eltern. Nach einem langen Tag in der Schule, in dem die Kinder oft still sitzen und kognitiv arbeiten, sollen sie sich nach der Schule noch etwas bewegen können (sei dies im Sportverein oder einfach draussen), auch mal mit Freunden abmachen können und Zeit zum Musizieren haben. Dazu gehört auch zu bedenken, dass einige Kinder länger an den Hausaufgaben sind als andere. Hier zu differenzieren, das machen viele Lehrpersonen. Und das finde ich sehr wichtig. Denn sonst haben genau die Kinder kaum Erhohlungszeit, die sie am dringendsten benötigen. Und natürlich ist da noch der Punkt erwerbstätiger Eltern, da bin ich ehrlich. Kommen wir nach der Arbeit nach Hause, freuen auch wir uns auf den Feierabend. Aufs Kochen, miteinander Reden, Erholen. Auch aufs gemeinsame (Vor-)Lesen. Aber nicht auf noch eine Stunde Arbeitsblatt ausfüllen, weil es nach einem langen Tag einfach länger dauert als die vorgesehenen 30 Minuten.  

 

Ich möchte die Hausaufgaben nicht gänzlich abschaffen. Es gibt Lerninhalte, die müssen eingeübt und gefestigt werden. Das können sie auch zu Hause. Lesen z. B. oder Kopfrechnen. Ich habe manchmal im Lehrerzimmer gehört, dass die Kinder heute so viel Programm hätten, dass ihnen die Zeit für Hausaufgaben fehle. Hier möchte ich ansetzen und für Verständnis plädieren. Nämlich, dass wir den Kindern diese Aktivitäten ausserhalb der Schule auch zugestehen. Dass wir es ihnen gönnen, wenn sie in den Sport oder in den Musikunterricht können und nicht auf diese Hobbys verzichten müssen, weil sie sonst zu wenig Zeit für die Hausaufgaben haben. 

Mein Wunsch für Schule und Elternhaus

Zum Schuljahresbeginn wünsche ich mir deshalb eine umfassende und differenzierte Diskussion zum Thema Hausaufgaben. Nicht einen neuen Leitfaden, den das Departement für sich erarbeitet und den Schulen dann zur Verfügung stellt. Sondern dass auch die Sicht der Eltern einbezogen wird. Ich weiss, die Eltern sind meistens nicht Pädagog:innen und können fachlich nicht mitreden. Doch von den Hausaufgaben sind Eltern auch stark betroffen. Und nicht alle können die Kinder gleich gut unterstützen. Eltern, die z. B. Schicht arbeiten oder die Unterrichtssprache nicht verstehen, können ihren Kindern nicht ausreichend helfen. Und nicht alle Kinder haben zu Hause einen Ort, wo sie die Hausaufgaben ungestört erledigen können. Deshalb sind Hausaufgaben auch mit Blick auf Chancengerechtigkeit kritisch zu betrachten und Lösungen zu finden, wie strukturell bereits benachteiligte Kinder durch Hausaufgaben nicht noch mehr benachteiligt werden. 

 

Dieser Dialog kann übrigens sehr kontrovers sein. Ich kenne Eltern, die die Hausaufgaben sehr schätzen, andere weniger. Ebenso ist es bei den Lehrpersonen. Die einen schätzen den Wert von Hausaufgaben hoch ein, andere sehen sie kritisch. Ich möchte also vielseitige Argumente auf den Tisch bringen, aus unterschiedlichen Perspektiven abwägen und eine gute Lösung für die Schulkinder finden. Das wäre mein Wunsch zum Schuljahresbeginn. 

 

Und natürlich wünsche ich allen einen guten Start. Den Schulkindern, Lehrpersonen, Fachpersonen an den Schulen und den Eltern :-)

Danica Zurbriggen Lehner

3920 Zermatt