Männer. Wo seid ihr?

An den Diskussionen über Sexismus und sexuelle Belästigung beteiligen sich meistens nur Frauen. Männer schweigen. 

 

Doch wir brauchen eure Unterstützung, denn wir wollen eine neue Kultur schaffen. Eine Kultur, in der übergriffiges Verhalten keinen Platz hat, in der sich die Menschen respektvoll begegnen. Darum meine Frage: Wie können wir euch als Verbündete gewinnen? 

 

Ein paar Gedanken formuliere ich im Blog. Was meint ihr dazu? Ergänzungen? Kritik?

Ist es wie in «Happyland»?

Es wirkt auf mich oft so, als fühlten sich viele Männer schlicht nicht betroffen. Sie selbst belästigen Frauen nicht. Also geht es sie auch nichts an. Sie sind ja anständig.  

 

Vielleicht ist es wie in Happyland, das von Tupoka Ogette in Exit Racism so beschrieben wird: «Happyland ist eine Welt, in der Rassismus das Vergehen der anderen ist». Funktioniert diese Erklärung auch in Bezug auf Sexismus? In Happyland wissen alle Bewohner:innen, dass Rassismus, also hier nun eben Sexismus, «etwas Grundschlechtes ist». Aber weil wir gute, anständige Menschen sind, können wir doch nicht sexistisch sein. Werden wir kritisiert, reagieren wir empört. Mal ein dummer Spruch, das ist doch nicht so tragisch. 

Doch: sind wir nicht alle manchmal sexistisch? Wir leben in einer sexistischen Kultur, also sehr wahrscheinlich haben wir alle schon sexistische Sprüche gemacht, uns mal übergriffig verhalten, oder weggesehen.  

 

Oft wird auch gesagt, sexuelle Belästigung sei ein individuelles Problem, kein strukturelles. Auch von Frauen, die sich nicht betroffen fühlen. (Ich erkläre mir dies mit Selbstschutz.) Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung sehr unterschiedlich ist. Was für die eine ein dummer Spruch ist, ist für die andere bereits sexuelle Belästigung. Schnell werden Frauen als «empfindlich» abgestempelt. Wichtig hier: es kommt nicht auf die Absicht an, sondern auf die Wahrnehmung. Also wie eine Aussage oder Handlung bei der Person ankommt. 

Wir sind alle müde.

Nun ist es so, dass es sehr ermüdend ist, wenn man immer selbst auf verletzende Worte oder Gesten aufmerksam machen muss. Und ich verstehe auch, wenn es die Leute nicht mehr hören mögen, das ganze Thema. Eben auch müde sind. 

 

Anuschka Roshani, die die aktuelle Debatte um Sexismus in der Medienbranche mit ihrem Selbstbericht im Spiegel ins Rollen bauchte, schreibt dazu: «Sexismus ist fünf Jahre nach #MeToo nicht Vergangenheit, sondern: eine tägliche Realität. (...) Ich habe zwar ein gewisses Verständnis dafür, dass viele genug haben von diesem leidigen Thema. Doch das ändert nichts daran, dass es weiter geschieht.»

 

Miriam Suter, Redaktorin bei ellexx.com schreibt auf Twitter, dass sie sich mehr Engagement von Männern wünscht. In einem Interview mit persönlich.com führt sie dies für die Medienbranche aus. Was sie sagt, gilt für unsere ganze Gesellschaft, betrifft Arbeit und Freizeit:

«Es sind immer Frauen, die sagen, was sich ändern muss, und sich mehrheitlich für diese Veränderungen einsetzen. Klar, der grössere Teil der Betroffenen sind Frauen und es ist wichtig, dass wir diesen Raum bekommen und man uns zuhört. Aber gleichzeitig verlangt es uns auch enorm viele emotionale Ressourcen ab, immer wieder auf diese Ungerechtigkeiten und Übergriffe aufmerksam machen zu müssen. (...) Dieses männliche Schweigen ist ein grosser Teil einer toxischen Arbeitskultur, die übergriffiges Verhalten möglich macht, toleriert und schützt.»

 

Was braucht es, damit ihr euch am Diskurs beteiligt?

Nun frage ich mich eben: warum beteiligen sich die Männer nicht? Warum ziehen sie sich zurück? Und: liegt es vielleicht am Ton, den wir anschlagen? Es wirkt moralisierend, ich weiss. Einerseits denke ich, wir sollten zugewandter sein, konzilianter. Anderseits habe ich grosses Verständnis für die Wut der Frauen, die Ungeduld, die spürbar wird. Und ich finde diese auch wichtig. Aber damit gewinnen wir nichts, das habe ich jetzt gemerkt. Was braucht es also, damit ihr euch beteiligt? 

  

Hier drei Ideen, für einen Anfang:

  1. Wir führen einen Dialog. Was ist für mich eine Grenzüberschreitung, was für dich? 
  2. Wir etablieren eine Kultur des Hinsehens. Wenn wir Sexismus beobachten, weisen wir darauf hin. Ohne zu werten. Einfach zur Kenntnisnahme. In einem respektvollen Ton.
  3. Und im Gegenzug: Wenn uns jemand auf ein sexistisches Verhalten hinweist, bedanken wir uns, statt empört zu reagieren: Danke für den Hinweis, ich war mir dessen nicht bewusst.

Habt ihr weitere? 

 

Miriam Suter sagt, und damit ende ich: «Wir sind alle Teil einer Kultur, die übergriffiges Verhalten zulässt und schützt. Aber wir können alle auch Teil einer Veränderung sein und zusammen eine neue Kultur schaffen.» 


Bild: pexels.com

Danica Zurbriggen Lehner

3920 Zermatt