Prävention gehört auf die Erwachsenenebene

«Wenn man Gewalt gegen Frauen verhindern will, muss man schon Kindern das Bewusstsein einschärfen: Dein Körper gehört dir!». Das schreibt Nathalie Benelli in ihrem Kommentar zum internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen. Das stimmt. Aber es reicht nicht. 

 

Was es braucht, ist das Erwachsene Verantwortung übernehmen. Mehr dazu im Text.

Kinder stärken, Erwachsene in die Verantwortung nehmen

Es ist wichtig, dass Prävention bei Kindern ansetzt. Sie sollen ihre Körperteile benennen, ihren Gefühlen vertrauen, Nein sagen und Hilfe holen können. Bei der Stiftung Kinderschutz Schweiz haben wir dazu Angebote  für drei Alterstufen entwickelt: "Mein Körper gehört mir!" für den Kindergarten und die Primarstufe und "Love Limits" für die Sekundarstufe I.

 

Wir vermitteln die 7 folgenden Präventionsbotschaften: 

  • Mein Körper gehört mir!
  • Ich vertraue meinem Gefühl.
  • Ich kenne gute, schlechte und komische Berührungen.
  • Ich darf Nein sagen!
  • Ich unterscheide zwischen guten und schlechten Geheimnissen.
  • Ich bin mutig, ich hole mir Hilfe.
  • Ich bin nicht schuld.

Während es bei den Angeboten für die jüngeren Kinder eher um die Prävention von sexueller Gewalt von Erwachsenen an Kindern geht, fokussiert das Angebot auf der Sekunderstufe I (sexuelle) Gewalt unter Jugendlichen. Diskutiert werden Themen wie Konsens (nur ja heisst ja), was rechtlich gilt, welche Verhaltensweisen ok sind, welche nicht ok, wo Hilfe geholt werden kann etc. Es geht darum, die Kinder und Jugendlichen zu stärken. Ihre Selbstwirksamkeitserwartung und damit ihre Resilienz.

 

Aber wir dürfen die Verantwortung nicht den Kindern übertragen, gerade bei den jüngeren geht das nicht. Denn, wie oft lassen wir ein Nein nicht gelten? Wenn sie die Jacke nicht anziehen oder nicht aufräumen wollen? Wie soll ein Kind wissen, welches Nein zählt und welches nicht? Oder beim Hilfe holen. Wussten Sie, dass sich ein Kind an mindesten fünf erwachsene Personen wenden muss, bis ihm geglaubt wird? Fünf. 

 

Auch wenn sich viele Präventionsansätze sexuellen Missbrauchs zunächst an Kinder als Zielgruppe richten, besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass Prävention in diesem Bereich auch erwachsene Bezugspersonen einbeziehen muss. Deshalb verfolgen wir bei Kinderschutz Schweiz den Setting-Ansatz, der von Gesundheitsförderung Schweiz (2019) zur Förderung von Selbstwirksamkeit empfohlen wird. 

 

Demzufolge wird sowohl bei den Kindern direkt angesetzt, als auch bei den Eltern und Erziehungsberechtigten (Setting Familie) sowie bei den Lehrpersonen und den pädagogischen Fachkräften (Schule, Kita, Tagesschule). 

Die beste Prävention ist eine respektvolle Erziehung

Wichtig ist es also, dass wir Erwachsenen Verantwortung übernehmen. Als Eltern, Lehrpersonen, Trainerinnen und Trainer. Dass wir den Kindern zuhören, ihre Gefühle ernst nehmen und sie altersgerecht aufklären. Dass wir uns bei einem Verdacht auf sexualisierte Gewalt Unterstützung von einer Fachstelle holen und dem Kind vermitteln: «Du bist nicht schuld!».

 

Und schliesslich ist die beste Prävention eine respektvolle Erziehung, in der wir den Kindern Halt und Orientierung geben, unsere Grenzen aufzeigen und ihre Grenzen akzeptieren. Prävention bedarf also Erwachsener, welche die Kinder gewaltfrei erziehen, mit Respekt leiten und begleiten und für die Kinder Vorbilder sind, wenn es um das Respektieren und Verteidigen eigener persönlicher Grenzen und der Grenzen anderer geht. In der Schule, Tagesschule oder Kindertagesstätten ist eine eine «Kultur des Hinsehens, des Eingreifens und des Schutzes» der Kinder und Jugendlichen sowie eine «Kultur, die Kinder und Jugendliche ermutigt zu sagen, wenn etwas nicht stimmt»  gefordert.Dies trägt im Übrigen auch dazu bei, dass sie später nicht zu Täterinnen oder Täter werden. Ein Aspekt, der oft vergessen geht.


Eine kürzere Version dieses Textes erschien  am 26.11.2021 als Leser:innenbrief im Walliser Boten. 

Bild: pexels.com

Danica Zurbriggen Lehner

3920 Zermatt